Thema: Gedicht
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Alt 28.01.2003, 13:14
Gast
 
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Standard Gedicht

Eine Transaktionsgeschichte, kommt ihr dahinter, was damit gemeint ist??

Der Junge und der Schulmeister!

Es war einmal ein Dorfjunge, der bei seinen Eltern lebte und alles auf dem Schoss seiner Mutter lernte.
Als er zwölf Jahre war, sagte der Junge zu seinen Eltern:
„Ich habe es meiner Mutter in allen Dingen recht gemacht und bin nun ein herangewachsenes Kind. Aber ein Mann werden muss ich erst noch.“
„Und wie willst Du ein Mann werden?“ fragte sein Vater, und der Junge antwortete:
„Ich muss einen Mann haben, der mich führt.“
So sandte der Vater den jungen zu einem wohlbekannten Schulmeister, der in dem Dorf lebte, und der Schulmeister sagte:
„Mein lieber Junge, wie weise von Dir, zu mir zu kommen. Gerne werde ich Dir alles erzählen, was ich weiß. Viele Jahre wird dies dauern, denn ich weiß so viel, aber ich wage zu behaupten, dass Du mit fünfzig einen beträchtlichen Teil davon gemeistert haben wirst. Am besten fangen wir sofort damit an.“
Und er führte den Jungen aus in seinem Auto.
„Das“, sagte der Schulmeister, „ist die Strasse nach London. Alle anderen Strassen sind genauso.“
„Woher weißt Du, dass sie genauso sind?“ fragte der Junge.
„Durch Induktion natürlich“, sagte der Schulmeister. “Ich fahre viele Male im Jahr Strassen entlang, und sie sind immer gleich. Ich fahre natürlich nur nach London, weil ich nirgendwo anders hinfahren muss, aber das ist für unser Argument nicht wichtig.“
„Ich verstehe“, sagte der Junge. Doch er verstand nicht.
„Nur um Dir zu zeigen, was ich meine, “ sagte der Schulmeister kühn werdend, „werde ich in diese Seitenstrasse abbiegen. Nun, Du siehst, sie ist wirklich ziemlich so wie die andere Strasse, obwohl sie im Detail anders aussehen mag.“
„Aber wir sind in einem Feld“, sagte der Junge.
„Das mag sein“, sagte der Schulmeister.“ Wenn es so ist, was ich im Augenblick, nur um des Argumentes willen, zuzugeben bereit bin, dann kann, worauf wir gefahren sind, keine richtige Strasse gewesen sein. Selbst wenn wir(um des Argumentes willen) in einem Feld sind, beweist dies nicht, dass meine ursprünglichen Berechnungen falsch waren.
Dessen ungeachtet fuhr der Schulmeister den Wagen rückwärts aus dem Feld heraus auf die Strasse zurück und wieder in der richtigen Richtung weiter.
So dachte sich der Junge: „Ich müsste mehr Erfolg haben, wenn soviel wüsste wie der Schulmeister; doch das würde 50 Jahre dauern, und 50 Jahre sind zu lange, um auf Erfolg zu warten. Es wäre offensichtlich zu meinem Vorteil, sodass ich sofort erfolgreich sein könnte mit allem, was der Schulmeister weiß, geboren zu sein.“
Ungefähr zu dieser Zeit raste der Schulmeister, der(wie Du Dich erinnern wirst) dabei war, den Jungen in seinem Auto nach London zu fahren, in ein anderes Auto, und sie beide wurden getötet.
Im Durcheinander ihrer plötzlichen Tode wurden der Junge und der Schulmeister hinsichtlich der Frage, wer sie waren, verwirrt, und beide trachteten danach, in neuen Körpern wiedergeboren zu werden, um auszuwetzen, was schiefgelaufen war.
Im Wirrwarr hatte die Seele des Jungen all das Wissen derjenigen des Schulmeisters erlangt, die ihrerseits alles verloren hatte, was sie wusste, und wieder unschuldig geworden war.
Der nun unschuldige Schulmeister wurde in eine gewöhnliche Familie hineingeboren, der es Freude machte, ihm durch Gebot und Beispiel den Lauf der Welt, wie sie ihn kannten, zu lehren.
Der nun wissende Junge wurde in eine andere gewöhnliche Familie geboren, die ihm den Lauf der Welt, wie sie ihn kannte, zu lehren versuchte, nur um zu erfahren, dass der Junge es besser wusste. Dies machte die Familie wütend, die dem Jungen mit dem Tode drohte, falls er nicht das, was er zu wissen schien, preisgegeben und stattdessen ihre Lehren annehmen würde.
Der Junge, der sein Ziel erreicht hatte, zu wissen, was der Schulmeister wusste, wollte nicht wieder so früh sterben und damit alles verschwenden. Also versuchte er zu verbergen, was er wusste, indem er unschuldig tat.
Es dauerte nicht lange, bis er erkannte, dass unschuldig zu tun nicht genug war, denn seine Eltern durchschauten schon bald sein Spiel und drohen ihm mit weiteren Strafen dafür, nicht einer ihres Glaubens zu sein, sondern dies nur vorzutäuschen und es zum Possenspiel zu machen.
Schließlich erkannte der Junge, dass der einzige Weg, sie zur Annahme zu täuschen, dass er einer ihres Glaubens war, darin bestand, auch sich selbst zu täuschen. Er lernte zu vergessen, was er zuvor gewusst hatte, und täuschte sich selbst sogar dahin zu denken, er sei unschuldig.
Als er heranwuchs, sah er, dass ihm seine Eltern immer noch nicht vertrauten. Sein verborgenes Wissen ermöglichte es ihm, Fragen zu beantworten, die weder sie noch ihre Freunde beantworten konnten, doch dies machte ihn weder bei seinen Eltern noch bei seinen Freunden beliebt, die meinten, er habe die richtigen Antworten entweder durch reines Glück oder durch eine Art von Unehrlichkeit gefunden, der sie nicht folgen konnten.
Und später, als er älter wurde und seine Familie verließ, um sein Glück zu suchen, verlieh ihm sein verborgenes Wissen einen großen Vorteil gegenüber seinen Zeitgenossen und Kollegen. Aber auch sie fanden es unannehmbar und bevorzugten ihre eigene Art, auch wenn ihre eigene Art weniger fähig war und nicht soviel wusste.
Nach 50 Jahren dieser unbefriedigenden Geschäfte entschied sich der Junge, schließlich zu versuchen, das Beste aus dem zu machen, was er wusste; er erinnerte es genügend, um ein wenig davon aufzuschreiben und lehren zu können, und es bleibt bis heute ein Rätsel unter den Unschuldigen, wie jemand, der so unschuldig wie sie war, jemand daran hätte denken können.

(Lows of Form, Spencer Brown)