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Alt 06.04.2006, 15:56
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Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Standard AW: Ich fühle mich alleine gelassen!!!

Hallo Ihr,

mir geht bzw. ging es ähnlich.

Mein Vater ist am 13.6.04 einen Tag vor seinem 68 Geb. gestorben. Heute genau vor zwei Jahren ging er auf seinen 2 Bbeinen ins KH um sich wegen Darmkrebsrezidiv operieren zu lassen, dann ging alles schief und er bekam eine Lungenemobolie und während der folgenden Wochen auf der Intensiv eine Infektion + Komplikation nach der anderen, bis er schliesslich gestorben ist. Schon während dieser letzten schrecklichen Wochen musste ich leider auch feststellen, dass man nur ganz wenigen Menschen erzählen kann was man da sieht und denkt und fühlt. Krebs und Tod sind nun mal nicht gerade die bevorzugten Themen.... Ich kann allerdings nicht behaupten, dass ich früher viel mutiger gewesen wäre als viele Freunde/Bekannte von denen ich mich nun enttäuscht und allein gelassen fühlte.

Leider ging auch ein Riss durch den Rest der Familie, noch während mein Vater im KH lag, denn meine Eltern waren seit Jahren getrennt + mein Vater inzwischen neu verheiratet was meine Mutter nie akzeptiert hat. Mein Bruder hat nach 2-3 Besuchen im KH "schlapp gemacht" und sich zurück gezogen, also stand ich aus der "eigentlichen" Familie allein da, zum Glück zusammen mit der neuen Frau. Ausserdem hatte ich zum Glück meinen Thera, dem ich alles erzählen konnte, trotzdem hat es wehgetan mit anderen Leuten am Tisch zu sitzen und zu spüren dass die Themen die mich am meisten bewegten nicht willkommen waren..... das isoliert. Ich habe mich dann relativ lange im Thema Krebs + Tod vergraben, viel im Internet gelesen und Bücher zum Thema. Ich bin da ziemlich lange drin verweilt, es zieht mich immer noch an, ganz komisch... aber es ist nicht mehr so obsessiv. gehört aber jetzt zum Leben dazu und ich zucke nicht mehr davor zurück.

Inzwischen akzeptiere ich aber, dass viele Menschen da Berührungsängste haben, was soll's man kann sie ja nicht dazu zwingen. Manchmal habe ich schon etwas hämisch (nicht nett, ich weiss...) gedacht "wartet's ab.... das kommt auf uns alle zu....". Aber letzten Endes weiss man eben erst wie es ist wenn man es selbst erlebt. Die Menschen die zugehört haben und das ausgehalten haben, hatten meist schon selbst ähnliche Verluste + Krankheiten miterlebt.

Letzten Endes denke ich, muss man die Trauer ohnehin irgendwie allein aushalten, da kann einen keiner durchtragen. Natürlich, reden hilft oft, wobei es aber auch Dinge gibt die ich bis heute nicht aussprechen kann oder möchte. Aber ganz ganz wichtig war mein Thera, das war zwar nur einmal pro Woche, aber da konnte ich richtig alles ablassen.... und mit der Zeit wird es dann besser.... fühle mich auch nicht mehr so isoliert, habe mich mit der Enttäuschung arrangiert und nehme es eigentlich (ausser meinem Bruder) niemandem mehr übel. Ich versuche das so zu sehen, dass die Menschen die darüber nicht reden können/wollen in ihren eigenen Grenzen gefangen sind, dass ich es also nicht persönlich nehme, sondern denke "nun ja, der/die kann das eben nicht". So war es eben, so ist es eben, umso wertvoller sind mir die Verbindungen wo solche Gespräche möglich waren und sind.

Viele Grüsse
Kerstin
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