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Alt 22.03.2006, 23:39
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Andrea67 Andrea67 ist offline
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Registriert seit: 22.03.2006
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Standard AW: Chemo Taxotere

Hallo zusammen,
nachdem ich lange nur in Foren gelesen und nicht gepostet habe dachte ich mir ich gebe geute auch mal meinen Senf dazu. Ich hoffe, das ich mit diesem langen Beitrag denen die hier stöbern ein wenig die Angst nehmen kann.
Anfangs haben mich die Postings in solchen Foren nämlich ganz schön erschreckt - Nebenwirkungen und so. ABER ich habe auch viel positives und Mut machendes gelesen. Z.B das bei der Chemo eine Horde Packmans in Deinem Blutkreislauf auf Jagd nach bösen Zellen gehen - ein schönes Bild.

Vorweg - jeder reagiert anders !!!
Vor Infektionen sollte man sich die ganze Zeit über hüten und nicht nur dann wenn die Leukos unten sind (Inkubationszeit !).
Ich bekomme alle 3 Wochen Donnerstags TAC - dauert ca 4,5 h.
Es ist bis jetzt (4 Mal) immer ähnlich aber nie gleich gewesen.

Nacht vorher: Cortison-Schlafstörungen. Beim ersten Mal nervöses Schwitzen

Donnerstag und Freitag: ohne Probleme, nachts Cortison-Schlafstörungen (bin sogar einmal Freitags nachmittags das Pferd meiner Freundin 20 min geritten - danach war auch die latente Übelkeit weg ;-))

Samstag: leicht müdes Dauergähnen - kann nachts schon besser schlafen

Sonntag: Sofa- und Bett-extremabhängen (aufs Klo gehen strengt schon an),Konzentrationsprobleme, Spaziergänge sind zwecklos , bin mies drauf und meine Geschmacks-und Geruchsnerven verabschieden sich. Glipschiges Gefühl im Mund.
Ist für mich die schlimmste Nebenwirkung - Wasser ist süß, alles riecht 5 mal intensiver. Es ekeln mich aber immer unterschiedliche Dinge an - beim ersten mal waren es Gurken, die sind dieses Mal OK und ich kenne schon 2 Frauen, die in dieser Richtung gar keine Nebenwirkungen hatten. Leider schmecken mir dann auch weder Kaffe noch Schokolade, dafür ist dann selbst gemachtes Müsli aus Joghurt natur mit frischen Früchten und Haferflocken der Hit. Plötzlich sind Dinge superlecker, die ich sonst nur mit Mühe runterkriege wie z.B Möhrensaft. Hatte nur bei diesem Mal Probleme mit Speiseröhre + Magen
Der Körper muß halt die Kollatteralschäden reparieren und braucht dazu allen verfügbaren Power. Gegen die Gruchs- und Geschmacksprobleme hilft nur alle intensiven Geschmäcker und Gerüche meiden und viel lüften.

Montag, Dienstag, Mittwoch - werde täglich fitter, rauhe Zunge - kann auch was anderes als Müsli, Reis und Mehlpfannkuchen essen - erste Spaziergänge. Auch Laune und Konzentration werden wieder besser.

Donnerstag bis Sonntag :"Quarantäne-Wochenende" Leukos sind unten - bekomme Aufbauspritzen und vorsorglich Antibiotika - hatte nur beim ersten und zweiten Mal ernstzunehmende Knochenschmerzen duch die Neuprouktion der Leukos - Ibuprofen hat geholfen.
Am ersten Wochenende der ersten Chemo habe ich prompt Fieber bekommen (mein Mann hat ne Angina ausgebrütet und wusste es nicht - brach dann eine Woche später bei ihm aus - Inkubationszeit !) was mir einen Krankenhausaufentalt von mehreren Tagen beschert hat.
Bei den anderen Zyklen gingen die Leukozyten mal mehr, mal weniger runter, brauchte bis jetzt aber immer Aufbauspritzen. Ich trage dann zwar keinen Mundschutz, schlage mir aber beim Einkaufen den Schal vor den Mund und wasche mir sofort die Hände wenn ich 'mal aus dem Haus war. Geld, Türklinken, Telefone + Tastaturen sind übrigens schlimmer verseucht als Klobrillen Meist habe ich Sonntags erhöhte Temperatur - Spazieren gehen hilft dagegen, wieso weiß ich auch nicht.

Montag: Leukos sind wieder ok oder deutlich auf dem Weg nach oben.

Ab hier kann ich dann anderthalb Wochen Kräfte und Motivation für die nächste Chemo sammeln.

ÜBERSICHT
Schlaflosigkeit + Schwitzen: von Cortison, Nervosität, Stress
Mondgesicht: von Cortison - gibt sich aber sofort wieder
Asthma: Ist weg - Schöne Nebenwirkung des allergiehemmenden Cortisons - selbiges unterdrückt so auch den Brechreiz.
Übelkeit: im ersten Zyklus eine Cortisontablette vergessen - Prompt Samstagnachts 2 mal übergeben. Sonst manchmal Montags bei den ersten Anzeichen aufkommender Übelkeit jeweils vorsorglich ne halbe Kevatril eingeworfen. Wenn alles eklig ist muß man sich aber nicht wundern, wenn einem etwas schlecht wird.
Müdigkeit: Der Körper braucht alle Kraft anderswo. Versuchs mal mit Gemütlichkeit... dauert ja nicht ewig
Schmerzen in Oberschenkel und Becken: Freu Dich, deine Leukos wachsen wieder - Ibuprophen hilft
Pickel: Hatte ich auch mal - vom Cortison? - oder einfach nur so?
Haare: Dunkelblonde ausgefallen im ersten Zyklus, nach ca. 2 Wochen. Die hellblonden Flusen musste ich abrasieren. Sie wachsen aber zwischendurch immer wieder nen Millimeter - dann juckts. Wimpern und Brauen fallen "normal" aus, wachsen aber fast nicht nach.
Fingernägel: sind ok - ab und zu ne Haarpackung gegen Spliss - brauche ich aber sonst im Winter auch
Hände rauh: Sanddornhandcreme mit Baumwoll-Handschuhen aus Drogeriemarkt
Fingerkribbeln, Sensorikstörungen: habe ich nicht
Wund sein: Mund bis jetzt eher nicht - nur mal ne raue Zunge - sonst Sitzbäder mit Tannolact-Pulver
Nasenbluten: nur manchmal morgens- Allgemeinzustand der Schleimhäute ist halt mies

Nebenwirkungen allgemein: Wenn man "drauf wartet" bekommt man die seltsamsten Nebenwirkungen - hatte nach dem Infektionsbedingten Krankenhausaufenthalt auch mehr Nebenwirkungen - man hört halt so dies und das, horcht mehr in sich 'rein und ist einfach sensibler. Mit einreden hat das nichts zu tun, aber so eine psychische Belastung schlägt sich halt auch physisch nieder. Was war zuerst da, die Henne oder das Ei ? Was ist Ursache, was Wirkung?

Darum: Lest was schönes ! Bastelt was für Ostern ! Geht in den Tierpark ! Tut wozu ihr Lust habt ! Lenkt euch aktiv ab und sitzt nicht den ganzen Tag vorm Rechner.

Es ist völlig ok auchmal gefrustet und fertig zu sein - Euer armer Körper braucht an manchen Tagen einfach alle Energie um sich zu berappeln - helft ihm dabei - lasst ihn einfach ein wenig in Ruhe.


Wir Frauen sind stark - so stark, das wir auch mal Schwäche zulassen können!


Liebe Grüße
Andrea
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