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Alt 24.02.2006, 20:24
Uschi61 Uschi61 ist offline
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Standard AW: Das Warten geht weiter

Liebe Sifra,
Dein Beitrag hat mich total angesprochen. Ich bin in einer ähnlichen Situation.
Um es kurz zu machen: 2002 starb mein Vater nach einer Herzklappen-OP (ich lebte zu der Zeit in Bayern, meine Eltern in Hessen, 550 km entfernt). 2003 erwischte es mich mit BK. Brust OP m. Ablatio, Eierstockentfernung. 2004 Eierstockentfernung und Hausverkauf in Bayern und Hauskauf in Hessen (kannst Dir ausrechnen wie oft wir hin- und hergedüst sind), Umzug und Brustaufbau mit Silikon. Dann dachte ich Ruhe ist, die Welt ist schön.

Seit Mai 2005 ist meine Mutter (69J) an Magenkrebs erkrankt, inoperabel und sie muß für den Rest ihres Lebens, das noch lange dauern möge, sich einer palliativen Chemotherapie unterziehen. Dazu muß ich noch sagen, daß meine Mum vor 15 Jahren BK hatte und dies sehr gut überstanden hat, das zähe Luder . Nicht mißverstehen, ich meine das sehr liebevoll und bin froh, daß ich auch diese tollen Kämpfergene mitbekommen habe.

Sie hat sich zeitweise so auf mich gestützt, daß ich schon Angst hatte selber krank zu werden vor Stress. Ich bin irgendwann mal ausgeflippt, weil sie mich tagelang zigmal anrief und mir haarklein erzählte was sie wie gegessen hat, wie sie es zubereitete, wieviel sie eingefroren hat, wie oft sie Pipi gemacht hat usw. usw. usw., manchmal bin ich 4xtägl. bei ihr vorbeigekommen um ihr etwas zu bringen, zu besorgen, was sie vergessen hatte. etc.
Ich konnte an diesem Tag einfach nicht mehr und habe ihr das auch klipp und klar gesagt und ich muß sagen, seitdem ist es sehr viel stressfreier. Ich habe ihr gesagt, daß sie sich so lange wie möglich selbst versorgen muß und daß ich zwar immer für sie da bin aber auch freie Zeit für meine Tochter und meinen Mann und vor allem für mich selber brauche und daß ich mich nicht aufreiben kann und möchte. Meine Tochter ist erst 8Jahre alt und braucht noch ihre Mama.
Und weißt Du was? Meine Mutter hat das total eingesehen. Es war ihr gar nicht bewußt, wie sehr mich die ganze Situation bis heute belastet. Wir haben nun beide gemeinsam eine Runde geheult und danach ging es uns allen besser. Heute sagen wir uns viel direkter, wenn uns etwas gegen den Strich geht und wir können gut damit umgehen.
Meine Mutter hat jetzt gerade den 4. Zyklus Chemo nach dem Wilkeschema angefangen. Wie uns die Ärzte sagten, ist das eine sehr agressive Chemo und wir müßten mit allem rechnen und mehr als 3 Zyklen seien nicht drin, wegen der Agressivität. Sie hat Gewicht verloren, die Haare sind ein bißchen dünner und sie ist natürlich manchmal ganz schön müde.
Aber meine Mum feiert auf jedem Fest mit, macht Urlaube bucht Kaffefahrten und gerade hat sie sich ihr Wohnzimmer neu eingerichtet - immerhin waren ihre Möbel ja schon 3 Jahre alt . Ich weiß manchmal nicht ob ich lachen oder weinen soll.
Ich helfe ihr bei manchen Dingen im Haushalt und als sie aus dem Krankenhaus gekommen ist, wohnte sie 2 Wochen bei uns, weil sie sehr schwach war. Aber im Großen und Ganzen kommt sie alleine gut zurecht.
Wie lange das gehen wird? Keine verdammte Ahnung - manchmal habe ich sogar die Hoffnung, daß sich der Krebs verzieht und meine Mutter 100 Jahre alt wird.
Ich kenne die ganzen ups and downs in so einer Situation, von meinem Vater, von mir und von meiner Mum und weiß wie furchtbar Ungewißheit ist.
Es soll Leute geben, die mit Ungewißheit besser leben können als mit den Fakten. Ich habe damit große Probleme und weiß lieber was Sache ist.
Aber es ist halt jeder anders.
Ich weiß jetzt gar nicht, ob ich Dir irgendwie helfen kann mit meinem Roman - wahrscheinlich nicht. Aber mir ist es jetzt wesentlich leichter, wo ich mir den "Schmarrn" mal von der Seele geschrieben habe.
Also liebe Sifra, so wie Du Deine Mum schilderst, geht sie ja die ganze Geschichte aktiv an. Vielleicht kannst Du ja auch mit ihr Klartext reden, das mußt Du natürlich der Situation anpassen. Ich habe festgestellt in den letzten Jahren, wenn Du wirklich von Herzen sprichst, erkennen die Menschen, daß das Deine Wahrheit ist - und akzeptieren und respektieren es.
In meinem Fall hat es eine sehr große Nähe und Vertrauen aufgebaut. Und das gefällt mir.
Ich wünsche Deiner Mutter und Dir nur das Allerbeste. Sie kann stolz auf ihre Tochter sein, die ihr so sehr zur Seite steht - aber Du mußt auch auf Dich schauen, denn das Leben geht weiter.
In diesem Sinne alles Gute
von Uschi
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