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Alt 18.02.2006, 10:23
Manu32 Manu32 ist offline
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Standard AW: das Vermissen tut so weh

Hallo ihr Lieben!

Erst einmal möchte ich Euch für Eure lieben und tröstenden Worte danken. Entschuldigt bitte, dass ich Euch gestern nicht mehr antworten konnte. Leider muss ich mich immer noch mit Ämtern und anderen Einrichtungen rumschlagen. Noch schlimmer ist aber, dass ich meine Muttis Wohnung räumen muss. Es ist jedesmal wenn ich ihre Wohnung betrete ein wenig schlimmer. Alles was ich sehe oder in den Händen halte erinnert mich so sehr an die schönen Zeiten mit ihr.
Meine Mutti legte nie viel Wert auf Reisen und materielle Dinge. Ihre Welt war ihr Zuhause und sie erfreute sich jedesmal daran wenn sie es mit kleinen Dingen verschönerte. Ich versuche soviel wie nur möglich aufzuheben und es schmerzt mich jede Kleinigkeit die ich weggeben muss. Ich habe schon einiges von mir selbst weggegeben nur um etwas Platz zu schaffen für meine Muttis Sachen. Es ist bei jedem Stück was ich von ihr bei mir habe so als sei es ein Stück ihres Lebens was mir einfach niemand nehmen kann.
Vielleicht klingt es verrückt, aber der Gedanke, dass fremde Menschen etwas von meiner Mutti besitzen ist für mich unerträglich.

Liebes Teufelchen!
Es tut mir sehr leid, dass auch Du erst kürzlich Deine Mutti verloren hast. Ich habe zwar schon jemanden zum Reden, aber dennoch glaube ich, dass meine Gefühle und Gedanken nur jemand verstehen kann der gleiches erleiden musste. Ich habe einen Lebensgefährten der ebenfalls sehr an meiner Mutti hing und auch schon sehr viele Tränen vergossen hat. Bei ihm ist es nur so, dass der Schmerz langsam etwas besser wird. Bei mir dagegen wird er täglich grösser. Ich mache ihm da natürlich keine Vorwürfe, aber irgendwie glaube ich, dass er dadurch sich nicht ganz in meine Situation hineinversetzen kann. Dann habe ich noch eine Schwester die zwar auch traurig ist, aber ihr Leben scheinbar relativ normal fortsetzt. Sie ist auf ihr Leben und ihr Alltag fixiert so dass ich nicht glaube, dass sie wirklich weiss was mich bewegt und wie es in mir aussieht. Naja, und eine Freundin gibt es da noch die leider ca 500 km von mir entfernt wohnt. Sie ist ein sehr einfühlsamer Mensch und hört mir auch am Telefon zu, versucht Trost zu spenden. Aber sie hat noch beide Eltern und kann dadurch vermutlich nicht wissen wie es ist wenn man niemanden mehr hat. Dadurch, dass sich meine Eltern als ich 3 Jahre alt war scheiden liessen war meine Mutti immer Mutter und Vater zugleich. Sie war "meine Eltern".
Aber hier im Forum geht es uns allen gleich und die Empfindungen werden bei uns allen sehr identisch sein und das hilft mir schon ein wenig. Ich fühle mich nicht so allein wenn ich hier lese oder schreibe.


Liebe Leonore!
Du hast ganz sicher Recht, dass die Liebe zwischen mir und meiner Mutti stärker ist. Ich hoffe sehr, dass sie immer für mich da sein wird und gelegentlich ein Auge auf mich hat. Ich glaube fest daran, dass die Seele weiterlebt. In dem Augenblick als meine Mutti starb war ich leider nicht an ihrer Seite. Wir haben deutlich gemerkt, dass sie nicht sterben will solange wir in ihrer Nähe sind. So eigenwillig wie sie immer war hat sie sogar noch ihren Kopf in diesem Punkt durchgesetzt. Wir waren an diesem Tag viele Stunden bei ihr und sie dachte nicht im Traume daran in unserer Gegenwart einzuschlafen. Wir haben uns jeder einzeln von ihr verabschiedet. Ich war die Letzte die sich von ihr verabschiedete und sagte ihr noch einmal alles was mir wichtig war und vor allem für sie wichtig war um einschlafen zu können. Auch wenn meine Mutti die Stunden zuvor kaum auf uns reagiert hat, aber in diesem Moment war ich mir sicher, dass sie mich genau verstand. Sie streichelte vorsichtig dabei meinen Arm. Ich wusste, dass ich mit ihr in diesem Moment zum letzten Mal sprechen konnte und ich sie sobald ich den Raum verlasse nicht mehr lebend sehen werde. Ich drehte mich noch einmal an der Tür um diesen letzten Augenblick aufzufangen. Am liebsten wäre ich ihr nicht von der Seite gewichen, aber dann hätten ihren Qualen wohl noch Stunden längen gedauert und das wollte ich ihr nicht antun.
Etwa eine 3/4 Stunde nachdem wir fort waren ist sie eingeschlafen für immer.
Aber was ich eigentlich sagen möchte.....
Am Tag danach fand im Hospiz eine Trauerfeier für sie statt (sie hätte schöner nicht sein können). Ich hatte furchtbare Angst den Raum zu betreten wo meine Mutti lag. Ich hatte so sehr Angst meine Muttis Körper leblos zu sehen und dennoch wollte ich Abschied von ihr nehmen. Als ich meine Mutti dann in diesem Sarg (sehr hübsch zurecht gemacht) sah, dachte ich nur "das ist sie nicht!". Natürlich war es der Körper meiner Mutti, aber nicht das was meine Mutti immer ausmachte. Sie wirkte so verändert, so zart, einfach so unwirklich. Ich wusste es fehlte das Wesen, die Seele meiner Mutti. Ich bin überzeugt, dass es die Seele ist die einen Menschen ausmacht. Irgendwie hoffe ich jeden Tag, dass ich einmal spüren kann, dass meine Mutti bei mir ist.


Liebe Anemone!
Auch Dir möchte ich sagen wie leid es mir tut, dass Dein Mann auch erst kürzlich von Dir gegangen ist. Es tut mir jedesmal weh wenn ein Mensch den Kampf gegen diese schlimme Krankheit verliert. Es ist schlimm wie die Ärzte mit den Menschen umgehen. Diese Kaltherzigkeit ist kaum zu ertragen und nicht zu verstehen. Ich weiss nicht ob Ärzte so abstumpfen, dass sie gar nichts mehr empfinden wenn es um ein Menschenleben geht. Die Ängste der Betroffenen und Angehörigen scheinen für die Ärzte keine Rolle zu spielen. Der Onkologe meiner Mutti war so schlimm, dass er mich zusammenstauchte sobald ich mal nach alternativen Heilmethoden fragte. Nur was er machte (also Chemo und Bestrahlung) war das A und O und nichts anderes wollte er auch nur in Erwägung ziehen. Für diesen Mann war auch nicht die Lebensqualtität entscheidend sondern nur seine Zahlen. Für sein Ego war es von Bedeutung sagen zu können, dass er einen sterbenskranken Menschen noch Tage bis Wochen länger mit der Chemo "durchgeschleppt" hat. Je mehr ich darüber nachdenke umso mehr steigt in mir die Wut auf.
Die Reaktion meiner Familie ist für mich auch unverständlich. Meine Oma hat meiner Mutti schon immer das Leben sehr schwer gemacht und ihr Steine in den Weg gelegt wo sie nur konnte. Ich denke aber, dass meine Oma mit ihrer Schuld leben muss und wenn ihre Zeit einmal gekommen ist wird sie einen harten Kampf haben bis sie ihren Frieden finden kann.
Was meine Schwester angeht bin ich nicht sehr verwundert. Meine Schwester hing natürlich auch an meiner Mutti, aber sie hatte nicht den engen Bezug zu ihr wie ich. Meine Schwester hat in der Zeit wo meine Mutti krank war die Krankheit verdrängt um ihr Leben nahezu ungestört weiterleben zu können.
Ich habe meiner Mutti immer beigestanden und war für sie da so gut ich nur konnte. Ich habe meine Mutti bei jeder Chemo, bei jeder Untersuchung wenn es möglich war begleitet und sie aufgefangen wenn sie schlechte Untersuchungsergebnisse mitgeteilt bekam oder sie einfach so schlechte Phasen hatte. Ich habe mich mit dieser Krankheit auseinandergesetzt um meiner Mutti Mut machen zu können und Hoffnung zu geben.
Ich habe meine Mutti bei Unternehmungen immer mitgenommen und somit alles mit ihr gemeinsam erlebt. Fast alles was ich in den letzten Jahren erlebte (auch als sie noch gesund war) habe ich mit meiner Mutti gemeinsam erlebt und somit gibt es wahnsinnig viele Erinnerungen. All das hatte meine Schwester nicht erlebt und hat zu sehr wenigen Dingen einen Bezug. Deshalb fällt es meiner Schwester auch viel leichter sich weiterhin auf ihr eigenes Leben zu konzentrieren. Ich werde wohl auch in Zukunft die Grabpflege übernehmen, aber das mache ich sehr gern.

Liebe Kerstin!
Es macht mich traurig, dass auch Du von Deiner Familie niemanden an Deiner Seite hattest. Eigentlich denkt man, dass in so einer Situation alle zusammenhalten müssten, nur da war ich wohl auch immer zu leichtgläubig und naiv. Ich bin immer ein Mensch gewesen der an das Gute im Menschen glauben wollte, aber inzwischen hat sich meine Denkweise schon geändert. Die Menschen sind meist kalt, egoistisch und sehen nur zu wie sie selbst durch das Leben kommen. Aber es ist schön zu wissen, dass es trotzdem noch Ausnahmen gibt.
An professionelle HIlfe habe ich auch schon einmal gedacht, aber ich weiss nicht ob von den Krankenkassen ein Therapeut bezahlt wird. Ich weiss nicht einmal an wen man sich da zuerst wenden muss?!
Ich wünsche Dir sehr, dass Du weiterhin "stabil" bleibst und es bergauf geht.


Ich möchte Euch noch einmal für Eure lieben Worte danken!

Ganz liebe Grüsse von Manu
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