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Alt 01.02.2006, 09:33
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Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Standard AW: ein Stern im Himmel

Hallo Nessie,

das mit dem plötzlichen hervorbrechen kenne ich auch. ich würde zwar nicht sagen, dass es mir in den ersten Wochen nach dem Tod meines Vaters "gut" ging, aber ich kam so zurecht und habe den Alltag einigermassen normal bewältigt. Aber dann gab es immer wieder Situationen, häufig wenn ich allein im Auto war, oder nachdem ich eine angespannte Situation hinter mich gebracht hatte, dass ich plötzlich von regelrechten Weinkrämpfen geschüttelt wurde, gegen die ich absolut nichts machen konnte. Ein bisschen weinen ging da irgendwie nicht, wenn, dann hat es mich richtig geschüttelt. Sowas krampfartiges kannte ich vorher nicht.

Du sagst, dass es Dir zwischendurch wirklich gut geht. Dann würde ich das so akzeptieren und nicht wieter hinterfragen, jeder trauert anders. Für mich selbst würde ich rückblickend sagen, dass ich die ganze Zeit unter grosser Anspannung gestanden habe, und mich in den den "Phasen dazwischen" eigentlich nur zusammengerissen habe. Naja, man kann ja auch nicht ohne Unterbrechung immer heulen. Aber ich war im Grunde immer angespannt, ich denke z.T. habe ich auch versucht es ein bisschen wegzudrücken. Letzten Endes ist es aber immer rausgekommen.

Ich denke es ist zwar ganz wichtig die Trauere nicht zu unterdrücken. Aber wenn Du zwischendrin gute Phasen hast, dann ist es vielleicht so weil Du in dieser Zeit wieder innere Kraft tanken kannst. Wenn Du in Dich hinein horchst und fühlst dass es so OK ist, dann lass es einfach so. Warum es hinterfragen, es ist dann eben so.

Dass die "greifbaren" Erinnerungen verblassen, ist schmerzhaft. Aber ich denke, auch das hat seine Funktion, ist in meinen Augen nämlich auch ein wichtiger Teil des loslassens. Das zuzulassen habe ich von meinem Thera gelernt. Ich hatte wochen- und monatelang quälende Ängste dass ich (Aufgrund dieses Verblassens) meinen Vater vergesse, fühlte mich schuldig. Ich hatte sogar das Gefühl, ich müsste den ersten Schmerz beibehalten um ihn nicht zu verrraten indem ich "vergesse". Das sagte ich mal zu meinem Thera, das hat mich wirklich sehr gequält, und er sagte zu mir: "Si werden Ihren Vater niemals vergessen, nicht mal wenn Sie sich ganz doll anstrengen würden"... und dann lächelte er. Und natürlich hatte er recht. Aber ich musste lernen auch ein bisschen loszulassen. Jetzt ist es schon 1 1/2 Jahre her. Und ich denke jeden Tag an ihn, aber es ist natürlich alles anders als am Anfang. Man lernt damit zu leben. Ich habe immer noch Phasen wo ich denke ich KANN es einfach nicht akzeptieren, wo alles wieder hoch kommt, aber die Weinkrämpfe sind weg, es ist mehr so eine Traurigkeit die jetzt einfach zum Leben dazu gehört, die ich vorher eben nicht kannte. Sonst ist schon (fast) alles wieder "normal" (Ich lese immer noch fast jeden Tag im KK, der Friedhof gehört jetzt dazu, das Vermissen auch, aber sonst ist es sozusagen "OK"). So muss es ja auch sein, und unsere Väter würden es genau so wollen, da bin ich ganz sicher.



LG
Kerstin
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