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Alt 25.09.2005, 12:42
Gaby und Franz Gaby und Franz ist offline
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Standard AW: Ich träume mich den Regebogen entlang zu Dir

Der Brief von Johannes ..............


Liebe Gaby,

ich bin auf meinen Reisen durch’s Internet auf das Krebs-Kompass Forum und deinen Thread „Ich träume mich den Regebogen entlang zu Dir“ gestoßen. Deine Liebe zu Franz und Deine Trauer über seinen Tod berühren mich tief, ich habe Deine Zeilen mit großer Ehrfurcht und Ergriffenheit gelesen. Wie gerne möchte ich Dir schon lange ein Wort des mitfühlen- oder mittragen-wollen sagen, und doch habe ich es bisher nicht hinbekommen.

Nun will ich Dir gerne schreiben, auch weil ich hierbei im sorgfältigen Aussuchen dessen, was mich bewegt, nur Mitgefühl Dir gegenüber ausdrücken möchte und vielleicht auch unfertige Gedanken zur Sprache kommen, auf keinen Fall soll jedoch meine subjektive Sicht auf verschiedene Dinge zu Tipps, Rezepten oder Ratschlägen für andere führen.

In manchen habe ich und meine Familie bei dem plötzlichen Unfalltodes meines eineinhalb Jahre jüngeren Bruders Tilmann 1998 ähnliches wie Du erleben müssen, auch wenn das Ableben eines Bruders oder Sohnes etwas ganz anderes ist als der Tod des Lebenspartners.

Was kamen da unbekannte Gefühle hervor:

Die Wut, dass das Leben so unerbittlich seinen alltäglichen und trivialen Gang weiterläuft, beinahe als ob nichts geschehen wäre.

Das Erschrecken, dass ich nach einiger Zeit an sehr betriebsamen Tagen am Tagesende bemerkte, bisher nicht an meinen Bruder gedacht zu haben.

Die distanzierende heitere Oberflächlichkeit größerer oder auch kleinerer Menschengruppen.

Das wenig Berührtsein von „professionellem“ Trost, wie sehr war mir zum Beispiel damals bei unserem Konzert in der Konkordienkirche die verzweifelten Kindertotenlieder vom Mahler näher als das trostsuchende Brahms-Requiem.

Die Frage, ob oder warum Gott so etwas zulassen kann, oder ob unter diesen Umständen ein Gott überhaupt noch denkbar oder fühlbar ist.

In der eigenen Familie habe ich erlebt, wie wir uns einerseits gegenseitig stützen konnten, andererseits doch jeder seinen eigenen Weg finden musste mit dem Verlust leben zu können.

Ich selbst habe in manchen mit mir und mit Gott Frieden schließen können, in anderem keine befriedigende Antworten gefunden, wieder in anderem nur innerlichen Widerspruch aufgetan und manches ging (glücklicherweise?) mit der Zeit im Alltagsschaffen unter.

Liebe Gaby, ich finde es sehr beeindruckend, wie viel Menschlichkeit bei Dir zu sehen ist: Deine verzweifelte Trauer, Deine Sehnsucht, Deine Wut, Deine Niedergeschlagenheit, Deine nicht zu unterdrückende Herzlichkeit, Deine zupackende Art (ich erinnere nur an Deinen Vorstoß den kirchenmusikalischen Haushalt wenigstens formal über die Bühne zu bekommen!) und vor allem Deine Kraft Dich nicht nur ins Schneckenhaus zu verkriechen, sondern auch raus zu gehen, in die Gemeinde zu kommen, obwohl Gott vielleicht ferne erscheint, in die Kantorei zu kommen, obwohl da alles an Franz erinnert und „Jauchzet, frohlocket“ gesungen wird, usw., usw., …


Ich muss viel an Dich und Deine Situation denken und bete um Kraft für Dich!

Herzliche Grüße von

Johannes


Mein Liebling,

solche Menschen um sich zu haben ist ein Geschenk - unser gemeinsames Leben war geprägt vom "Miteinander" wir hatten aber nicht nur uns zwei, sondern auch immer andere Menschen in unser Leben miteinbezogen. Dadurch kann ich heute voller Dankbarkeit sagen, dass ich nicht alleine bin, auch wenn DU in deiner körperlichen Anwesenheit fehlst, immer bist Du bei mir und deinen Freunden, im Gespräch, in Anekdoten und wir lachen sehr viel über gemeinsam erlebtes.

Leider bin ich heute mal wieder an einem Tiefpunkt angelangt - die Sonne scheint und ich denke an unsere Unternehmungen im Herbst und fühle mich sehr alleine....nicht mal in die Kirche habe ich es heute geschafft.

Bin traurig, aber auch das gehört zur Trauer

Deine Gaby