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Alt 19.09.2005, 19:38
Saphir Saphir ist offline
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Standard AW: Russisch Roulette.......

Hallo,

heute habe ich meine Mama nach fast einem halben Jahr(mit kurzen Unterbrechungen)aus Frankfurt abgeholt.
Ihr glaubt nicht, wie sehr ich mich erschrak, als ich sie nach gerade mal 3 Wochen wieder sah. Sie hat sich sehr verändert. Als sie vor mir stand, mit dem erneut kahlen Schädel und zwei viel größer gewordenen Beulen darauf, das Kortison veränderte Gesicht(extrem aufgedunsen), und dem so sehr abgemagerten Körper.
Aber das war nicht alles. Sie war auch irgendwo nicht mehr diesselbe Person. Nach längerer Beobachtung kam mir immer wieder das Gefühl, dass viel aus ihrem Inneren dem Krebs gewichen ist.
Wenn man sich jetzt die Seele und Persönlichkeit als ganz viele, zusammengesetzte Puzzelteile vorstellt, dann macht es auf mich den Eindruck, als ob ihre Seelen,-und Persönlichkeitspuzzelteile aus ihrem Körper gewichen sind, und Platz für die Krebsteile gemacht hätten.
Es ist ein komisches Beispiel, aber so kommt es mir vor.
Sie kämpft immer noch. Aber anscheinend kommt das bei ihrem Körper nicht an. Dieser verdammte Krebs macht was er will. Der ist so rücksichtslos, dass tut so weh! Als sie neben mir im Auto saß, hatte ich manchmal das Gefühl, eine Puppe sitzt da. Mit so einem maskenartigen Gesicht. Klar, Kortison in solchen Mengen entstellt. Trotzdem ist es furchtbar, dies mit anzusehen. Ihre Hände zittern so stark, sie ist so schwach. Und in ihren Augen sieht man so einen verbitterten Kampf, dies alles nicht zuzulassen. Wenn ich ihr doch was abnehmen könnte.
Als meine Tante mich fragte, was ich (ihre Zukunft betreffend) denke, war ich sprachlos. Ich konnte nicht sagen, alles wird gut, sie schafft es. Ich wünschte, ich könnte es.....aber ein merkwürdiges Gefühl beschleicht mich. Waren die letzten Wochen ein letztes Aufbäumen? Die Ruhe vor dem Sturm? Grässliche Zeilen, aber so ehrlich.
Die Zeit, als Mama in Frankfurt war, habe ich mich so ins Lernen gestürzt. Da war sie auch in sicheren Händen. Ich konnte Abstand vom Krebs nehmen. Doch das war schlagartig vorbei, als ich Mama wieder sah. Ich bin brutal in die Realität zurück gekehrt. Und habe so Angst vor dem, was jetzt kommt. Ich bin längst nicht bereit sie gehen zu lassen.
Das verkrafte ich noch lange nicht. In drei Wochen fängt eine neue Chemo an. Der Gedanke, dass sie dann leiden muß, macht mich fertig. Und alle weiteren Gedanken diesbezüglich sowieso.
Was würde ich dafür tun, dass dieser so wundervolle Mensch leben darf, ohne zu leiden......
Mit schwerem Herzen, Saphir
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