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Alt 26.08.2005, 20:46
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Von der Seele schreiben!!

Liebe Dani, lieber Mario,

es kann gut sein, dass es morgen gar nicht so schlimm wird, wenn Ihr in die Wohnung Eurer Mama geht. Manchmal, wenn man sich vorher schon ganz toll gefürchtet hat, ist es dann halb so wild. Müßt Ihr die Wohnung Eurer Mami leer räumen?

Ich kenne ganz wenig Leute, denen ich bei so einer Aufgabe nicht gute Ratschläge mit auf den Weg geben würde – wie – mach es langsam, bedenke alles gut, bewahre erst lieber mehr auf, usw. Ihr braucht meine Tantenratschläge nicht, Ihr werdet das alles gut machen.

Ach Mario, ich hab sie auch noch, Mamas Einkaufzettel. Es erscheint einen alles, wirklich alles was sie je in der Hand gehabt hat, wertvoll. Die Dinge sind nun nicht mehr so wichtig, aber viele Jahre waren sie mir wie Krücken. Unlängst dachte ich mir, was mach ich mit der Marmelade, noch von ihr eingekocht. Bis auf ein paar Gläser hatte ich damals alle verschenkt. Am selben Tag erzählte mir jemand, deren Mama 40 Jahre tot ist, dass sie von ihrer Mama noch immer einen selbst gemachten Likör hat. Man kann das alles so handhaben, wie es gut und richtig für einen ist. Für den einen ist es stimmig alles weg zu geben, nur die Erinnerungen zu bewahren, der andere will möglichst viele Sachen haben.

Je mehr Zeit seit dem Tod meiner Eltern vergeht, desto wichtiger wird es mir Musik zu hören, die sie gerne hatten, mich an Orten aufzuhalten an denen sie waren, ein Buch zu lesen, von dem ich weiß, dass sie es oft in der Hand hielten.

Und noch etwas ist mir wichtig. Es war nicht geplant, es kam von selbst. Meine Eltern hatten natürlich nicht nur gute Eigenschaften, aber sie hatten derer viele. Ich versuche diesen guten Eigenschaften Leben zu verleihen, sie sollen in mir weiterleben. Kinder habe ich keine. Was ich damit meine, mit den guten Eigenschaften? Da könnte ich Seiten füllen, ich nehme ein Beispiel für Mama, eines für Papa. Mama hatte die Eigenschaft sich jedem Menschen, jeder Tätigkeit mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit zu widmen. Alles was sie machte, versuchte sie so gut zu machen, wie sie es konnte. Sie hörte einem Menschen aufmerksam zu, sie überlegte ihre Worte, wenn sie einen Brief schrieb, nahm sie sich Zeit, ein schönes Papier, ihre Füllfeder und sie hatte auch immer ausgesuchte Briefmarken. Eine Mahlzeit wurde nicht so hudeldiwudel zusammen gerührt, ein Tisch wurde gedeckt. Es war ein achtsames Leben.
Mein Papa war ein Glückskind bis ans Ende seines langes Lebens. Egal was kam und wie es kam, in einer Ecke steckte doch noch ein Glück. Es regnet in Strömen? Gott sei Dank haben wir kein Hochwasser. Als er seinen Schlaganfall hatte, - welch ein Glück, es war links. Ein lang verfolgter Plan realisierte sich nicht – auch ein Glück, wer weiß wie es ausgegangen wäre.

Jetzt möchte ich Euch noch etwas aufschreiben. Es ist von René Juan Trossero:

AUF DEM WEG IN DEINE ZUKUNFT

Ein Verstorbener geht durch ein Tor,
das du jetzt nicht durchschreiten kannst,
weil es hinter ihm geschlossen wurde.
Warte nicht an diesem Tor auf ihn.

Nimm Abschied, um weitergehen zu können
Und sein Ankommen durch ein anderes Tor
Am Ende deiner Trauer
Zu erwarten.

Wenn du einen Weg suchst,
um deinen Verstorbenen
wieder zu treffen,
suche ihn nicht weinend
in deiner Vergangenheit.

Suche ihn,
voller Hoffnung
auf dem Weg in deiner Zukunft.


Ihr Lieben, ich weiß, von diesen Gedanken seid Ihr noch entfernt, dafür ist es zu früh. Aber ich schick sie Euch schon einmal.

Allles Liebe
Eure Tante Briele
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