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Alt 04.08.2005, 13:36
Gast
 
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Hallo, meine Lieben,

Liebe ISA, ich hoffe heute fühlst Du Dich wieder so, wie Du Dich gerne fühlst!

Alle drei habt Ihr Bemerkungen zu meinem Papa geschrieben, die alle stimmen!

Du Isa liegst völlig richtig mit Deiner Beobachtung. Papa zuerst das Ganze mit Wohlgefallen lesend, dann die Stirn runzelnd, dann ausholend zu einem scharfen Schuß, die Kurve nehmend, dann zieht er die Schultern hoch, lacht, und meint ja wenn das so ist, dass wir alles von ihm wissen und er wenig von uns, dann, weil wir nicht mit ihm reden oder weil er halt der Interessantere ist!

VIV, ja, es war alles stimmig in ihm. Er hatte nicht nur ein glückliches Leben, das Leben ist ihm auch geglückt. Mama und Papa haben die guten Seiten immer gesehen und darüber gesprochen, gejammert haben sie nie. Auch mein Bruder jammert nie. Wenn sein kleiner Sohn diesen Ton anschlägt, dann sagt er, hör auf zu jammern, du darfst jammern wenn du weh hast, sonst nicht, red in einem normalen Ton mit mir. Das funktioniert recht gut.

ALINA, ja auch zu Deiner Vermutung. Er war die Sonne, in allem die Nummer eins in unserer Familie, das wusste er und das fand er auch logisch. Je älter ich werde, desto verwunderter bin ich, dass wir anderen recht gut damit leben konnten. Wir haben es höchstens (unter uns) ein wenig belächelt, aber es war nie ein Problem. Selbstbestätigung haben wir von anderen Seiten erhalten und wahrscheinlich ist es egal woher so etwas kommt, Hauptsache man erfährt es.

Du hast mich gefragt wie es mir am Friedhof ergeht. Meine Eltern sind nicht in meinem Bergdorf beerdigt, sondern in der Kleinstadt, in der wir vorher lebten. Ich gehe nicht ungern hin. Einmal, weil ich gerne in Friedhöfen spazieren gehe, sie mir ansehe und auch, weil der Platz des Urnenfriedhofes wirklich schön ist. Sogar ein kleines Bächlein. Aber dort sind meine Eltern nicht. Ich fühle dort weder eine besondere Nähe, noch Trauer, nichts. Ein einziges Mal habe ich schrecklich geweint. Das war nicht bei der Beisetzung der Urne, sondern als einige Zeit später Mamas Name und ihre Daten auf der Marmortafel eingraviert waren und ich es das erste Mal sah.

Das Haus mit der Wohnung meiner Eltern ist ja noch da. In den letzten sechs Jahren bin ich viele hunderte Male dort gewesen und die Empfindung wenn ich jetzt hineingehe ist eine ganz andere. Es ist nicht mehr schmerzvolle Trauer, es ist Melancholie mit einem Lächeln. Ich merke auch, wie ich weniger und weniger meine Erinnerung an sie, meine Treue zu ihnen, an Dingen festmachen muß. Doch in den ersten Jahren war das wichtig für mich und es war mir auch eine Hilfe.
Wenn ich meine Neffen im Arm halte, die kleine, weiche Hand in der meinen fühle, es sind wirklich die beiden Kinder der fühl- und sichtbare Nachlass meiner Eltern.

Und Du Alina? Geht es Dir, ging es Dir in diesen Tagen besser als Du dachtest? Nun ist ein Jahr vorbei. Sei nicht überrascht, wenn dann wieder einmal ein Tag kommt als sei es Tag eins. So ist das halt.

Liebe Isa, bei Dir ist es noch gar nicht lange her. Zum für Dich richtigen Zeitpunkt tut es Dir dann vielleicht gut uns Teil III zu schreiben. Ich glaube mit der Trauer ist es so wie es mit anderen Gefühlen auch ist. Manchmal ist man über sich erstaunt, dass man sich über alle Maßen über etwas freut, denkt dann, na ja, also was ist jetzt los? Oder das Gegenteil. Mit der Trauer kann es einem auch so ergehen. Man hat eine Vorstellung über die Dosis und ist verwundert wenn dann weniger drin ist, oder mehr herauskommt als man der Sache zugeteilt hat. Auch da – meine alte Leier – es ist wie es ist!

Nun geh ich wieder rackern.
Bis am Abend
Briele