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Alt 08.11.2002, 22:10
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Liebe Heike (Gitti)

Doch, ich möchte dir antworten. Wie du vielleicht noch weißt, hatte mein damalig 11j. Sohn Knochenkrebs. Was ich aber hier noch niemandem erzählte, war die Sterbephase einer lieben Nachbarstochter (Mutter von 2 Söhnen, 3 und 1 Jahr alt)der ich die beiden Kinder zum Abschiednehmen an das Sterbebett brachte, weil niemand in der Familie dazu in der Lage war.
Sie wußte, dass sie die nächsten Stunden nicht mehr erleben würde.
Sie wußte es, hatte keine Kraft mehr, wollte eigentlich auch nicht mehr. Aber ihr Wissen, dass sie ihre beiden Kinder zurücklassen muss, nicht mehr erleben kann wie ihre Kinder groß werden,ließ sie mehr verzweifeln wie die Krankheit und ihre Schmerzen.
Die Bilder von damals habe ich heute noch vor Augen und ich bin heute noch immer wieder den Tränen nahe, wenn ich es vor mir sehe.
Es ist aber auch das Bild da, wie sie mit ihrer letzten Kraft dem 3j. in aller Ruhe geschildert hat was mit ihr passieren wird. Sie hat es so toll gemacht, dass ihr Sohn als heute 14j. noch genau weiß was sie ihm gesagt hat.Er hat mir mal gesagt, ich wußte nicht, was Sterben ist, aber ich wußte Mama liebt mich!
Keiner hat damals gefragt, was ist richtig, was ist falsch, jeder hat das getan, wozu er in der Lage war. Auch ich hatte mich damals spontan bereit erklärt mit den Kindern in die Klinik zu fahren, weil ich es nicht wußte, aber ich mir vorstellen konnte, dass es für die nächsten Angehörigen nicht auszuhalten gewesen wäre, dieses zu erleben.In einer anderen Familie wäre es vielleicht nicht in Frage gekommen, dieses einer Aussenstehenden zu überlassen. War es deshalb falsch? Wer möchte ja oder nein sagen?
Hätte erst jemand Fachbücher wälzen sollen, um diese Frage zu beantworten? Wenn wir 3 Psychologen befragen, bekommen wir wahrscheinlich 3 verschiedene Antworten.
Jeder muß seinen Weg gehen und es gibt davon sehr viele. Jeder von uns hat sein eigenes Umfeld, seine eigene Geschichte und es wäre zu schön, wenn es nur ein einziges Buch, nur einen Film bräuchte, um uns alle auf den richtigen Weg zu bringen.Als unser Sohn dann vor einigen Jahren erkrankte, konnten wir auf wenig Erfahrungswerte zurückgreifen,da wir nun keine Aussenstehenden, sondern selbst Angehörige waren. Mit unserem Umfeld haben wir bis auf 2 Fälle nur positive Erfahrungen gemacht. Vielleicht lag es daran, dass wir nicht nur auf uns geschaut haben, sondern auch auf die anderen. So wie wir nicht jeden Tag gut ansprechbar waren, waren es die anderen mitunter auch nicht, da sie selbst ein Päckchen zu tragen hatten, woran sie schwer zu schleppen hatten.
Unser Sohn hat für sich auch ganz andere Erfahrungswerte und Erkenntnisse für sich herausgezogen, wo ich mich manchmal schwertue dieses nachzuvollziehen. Aber das ist doch auch normal, er hat seine Ängste gehabt und ich meine und die müssen sich nicht unbedingt decken. Er hat die Behandlung durchmachen müssen und wir saßen daneben. Wie sollten wir damals und heute dasselbe empfinden? Er mußte als Kranker seinen Weg gehen und wir als Eltern und keiner von uns hätte es gewagt, dem anderen zu erzählen, wie er alles zu bewältigen hat. Wir tauschen uns aus, wir suchen uns Informationen, die wir haben möchten und jeder sucht sich das raus, was er für sich braucht.
Gitti, ich denke ihr habt für euch beide das richtige gemacht, es war euer Weg und den seit ihr gegangen. Was sollte daran falsch sein?
Liebe Grüße Trixi
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