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Alt 09.05.2005, 09:00
Gast
 
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Standard Sie trifft sich mit einem anderen Mann, nach 9 Mon

Hallo Fantine,

ich denke nicht, dass euch keiner versteht, zumindest versucht man es - ich zumindest, denn ich denke, auch darin liegt der Sinn dieses Forums und damit in der Trauerarbeit - Dinge aus anderen Blickwinkeln zu sehen, und den Versuch zu starten, die Gefühle anderer zu begreifen.

Dass dies nicht immer ganz emotionslos gehen kann, liegt wohl in der Natur der Umstände. Wir alle tragen unser Leid und fühlen es zunächst einmal aus unserer Sicht. Und dieses Fühlen ist wohl für alle, die hier auf irgendeine Weise "Hilfe" suchen fast unerträglich.

Nachdem ich eure Geschichten gelesen habe, sehe ich manches anders, kann glaube ich verstehen, um was es geht.

Es hat auch bei mir ein "verdrängtes" Gefühl wachgerüttelt. Mir ging es in meiner Kindheit ähnlich und zwar gleich mit beiden Elternteilen. Ich habe im Alter von 5 Jahren meinen großen Bruder durch einen Autounfall verloren. Nur leider war niemandem in meinem Umfeld - eigentlich bis heute nicht - bewusst, dass auch ich etwas verloren hatte. Ich hörte immer nur, die armen Eltern, mach ihnen nur keinen Kummer, sie haben Leid genug erfahren. Wie es sich für mich angefühlt hat, plötzlich alleine in meinem Zimmer zu sein, ohne den Bruder, den ich sehr geliebt hatte, hat niemanden - auch nicht meine Eltern - wirklich interessiert. Die Erklärung lag ja für alle bequem auf der Hand: Sie ist ja soooo klein, sie bekommt ja gar nichts mit! Das war ein Irrtum. Und es ging mir so, wie du es beschreibst, ich habe nicht nur meinen Bruder verloren, auch meine Eltern waren "weg". Kein Lachen mehr, keine Freude keine "Normalität". Und ständig der Seilakt, meinen Eltern alles recht zu machen.
Mit 40! kam eine derbe Reaktion, die ich erst durch Hilfe meines Mannes richtig realisieren konnte. Da begann ich - 35 Jahre später - mit meiner Trauerarbeit um meinen Bruder. Gerade rechtzeitig, um "Platz" zu schaffen für den nächsten Schicksalsschlag.

Das Riesenglück, das ich in der Ehe mit meinem Mann gefunden hatte, war für mich immer wie eine "Entschädigung". ER war es, der mich bedingungslos geliebt hat, ER hat mir die Geborgenheit gegeben, von der ihr im Bezug auf eure Elternteile redet. Vielleicht tut es mir deshalb weh zu lesen, dass jemand denkt, dieser Mensch sei für mich einfach "ersetzbar". ER war mehr für mich als nur ein Partner, er war mein Halt und die Liebe, die mir in meiner Kindheit niemand mehr geben konnte, weil man zu "beschäftigt mit sich selbst war"

Ich glaube mittlerweile wirklich verstanden zu haben, was ihr meint, auch ich wurde "Opfer" dieses Egoismus, ungewollt bestimmt, aber das macht es letztendlich nicht besser.

Ich bin zu sehr von meiner derzeitigen Situation ausgegangen. Für mich stellt sich die Frage nicht, mein Kummer um den Verlust meines geliebten Mannes ist zu groß, um überhaupt im Augenblick eine neue Partnerschaft in Erwägung zu ziehen. Ich habe aber auch die Stimme meines jüngsten Sohnes noch im Ohr, der am Tag, als sein Papa gestorben ist zu mir gesagt hat: Mama, ich will keinen neuen Papa! Und eure Beiträge haben mich ganz gewiss nochmals ein Stück hellhöriger gemacht, auf ihre Seelen zu achten. Ich hoffe, es wird mir gelingen, obwohl ich zugeben muss, dass ich mich oft sehr überfordert fühle.

Ich werde mir alle Mühe geben, unser Verhältnis nicht zu zerstören, ihnen eine Freundin und Mutter zu bleiben. Darin liegt nicht zuletzt auch eine Chance, unser "altes Leben" zu retten...

Die Trauer ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen müssen.... ich denke, das bringt es auf den Punkt, egal ob man Vater, Mutter oder Ehemann und Partner verliert.

Viel geschrieben, hoffentlich manches davon verständlich.

Uns allen einen erträglichen Tag!

LG
Andrea
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