Thema: es tut so weh
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Alt 23.09.2002, 21:08
Gast
 
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Standard es tut so weh

Hallo! Ich habe heute zum ersten Mal die Kraft gefunden, hier ins Forum zu schreiben, obwohl ich schon länger "Mitleser" bin. Seit Mai d. J. habe ich alles gelesen, was ich über Lungenkrebs kriegen konnte; das Lungenkrebsforum war mir da sehr hilfreich.

Jetzt will ich erstmal meine Vorgeschichte aufschreiben:

Mein Papa hatte ein nicht-kleinzelliges BC 9 cm Raumforderung ohne Metastasenbildung. Der Tumor war inoperabel, weil zu groß und zu nah am Herzen. Nach den ganzen Untersuchungen kam man dann zu dem Entschluss, ihn zu bestrahlen. 60 sollten es werden. Während dieser Bestrahlungen wurde er immer schwächer, müder und magerte um 40 kg ab, obwohl wir alles versuchten, um ihn aufzupäppeln (Fortimel, selbstgekochte hochkalorische Nahrung etc.).
Nach 30 Bestrahlungen kam dann die Kontroll-CT. Der Prof sagte uns, der Tumor sei zerfallen und müsse jetzt nur noch vom Körper "ausgeschieden" werden. Die Schwäche, Übelkeit etc. kämen davon. Er müsse nur viel essen, sich bewegen und seine Muskeln wieder aufbauen. Zu diesem Zeitpunkt konnte mein Papa vor Schwäche nur noch mühsam auf Krücken gehen. Die Bestrahlungen wurden ab gebrochen.
Von da an ging es jeden Tag bergab. Er magerte immer mehr ab, erbrach riesige Mengen von zähem Schleim, konnte nur noch flüstern und schließlich nicht mehr essen und trinken.
Er lag nur noch auf seiner geliebten Couch und döste vor sich hin. Schmerzen hatte er keine. Er war auch immer zufrieden, dass wir alle da waren und uns um ihn kümmerten; beschwerte sich nie, jammerte nicht oder so.
Zum Schluß war es dann so schlimm, dass wir ihn kaum noch in den inzwischen besorgten Rollstuhl oder ins Bett schaffen konnten.
Wir wollten vermeiden, dass er ins Krankenhaus muss, wollten ihn daheim pflegen. Aber nachdem er 5 Tage keine Flüssigkeit mehr zu sich genommen hatte, mussten wir ihn schweren Herzens ins Krankenhaus bringen, wo er Infusionen und Blut bekam. Die Blutwerte waren extrem schlecht, Kalzium zu hoch, Kalium zu niedrig. Ich weiss nicht genau, könnte das von der Leber gekommen sein?
Nach der Einlieferung ins KKH sprachen wir dann wieder mit dem Prof. Er teilte uns mit, dass der ganze Körper von Metastasen befallen sei. Er habe dies beim CT gesehen und deshalb die Bestrahlungen abgebrochen.
Allerdings hatte er meinem Papa und auch uns nichts gesagt. Wir hatten immer guten Kontakt zu den Ärzten. Ich verstehe das nicht!

Im KKH ging es meinem Papa dann auch etwas besser, so dass wir die Hoffnung hatten, ihn mit nach Hause nehmen zu können.

Eines werde ich nie vergessen: Er, der daheim körperlich so schwach war, dass er nicht alleine sitzen konnte, setzte sich am 3. Tag alleine auf, verlangte nach einem Rollstuhl und wollte auf den Balkon geschoben werden. Er wollte unbedingt eine Zigarette rauchen. Alle waren dagegen, großes Trara usw. Ich habe dann auf dem Balkon eine Zigarete angesteckt und habe ihn sie rauchen lassen (heimlich wegen der Ärzte). Es war seine und meine letzte in diesem Leben. Ich bin froh, dass ich ihm diesen Wunsch noch erfüllt habe, obwohl ich mir das Gemecker von allen Seiten anhören musste von wegen Lungenkrebs und Rauchen.
Wir waren jeden Tag mehrmals für Stunden bei ihm und es hat ihm gutgetan zu spüren, dass wir alle da sind. Er war ganz ruhig und entspannt. Wir haben nur darauf hingelebt, ihm Mut und Kraft zu geben und ihn wieder mit nach Hause zu nehmen, und sei es nur für ein paar Tage...
Das hat dann leider nicht mehr geklappt. Er bekam eine schlimme Lungenentzündung mit hohem Fieber.
2Tage später ist er ganz friedlich eingeschlafen.Er hatte bis dahin keine Schmerzmittel gebraucht.
Ich hatte immer grosse Angst vor den Schmerzen, die er kriegen könnte, oder vor dem Erstickungstod. In den letzten Tagen habe ich nur noch gebetet: Lieber Gott, wenn Du ihn nicht mehr heilen kannst, lass ihn bitte einfach einschlafen!" Ich glaube, er hat viel Glück gehabt, weil ihm einiges erspart blieb.
Jetzt ist natürlich ein grosses Loch da. Er fehlt mir jede Minute, egal was ich mache. Alles erinnert mich an ihn.
Aber ich kann nicht mehr weinen. Vielleicht, weil ich froh bin, dass ihm jetzt nichts mehr passieren kann.
Aber es tut so verdammt weh!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Jetzt ist es doch ganz schön lang geworden, aber ich musste mir das alles mal von der Seele schreiben, zuhaus muss ich immer so stark sein und alles auffangen.
Liebe Grüße
Lena
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