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Alt 03.01.2014, 20:09
Kroko2012 Kroko2012 ist offline
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Standard AW: ich wollte nie hier schreiben

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Zitat von Rachel Beitrag anzeigen
ICH DANKE EUCH ALLEN
LG Gitti
Liebe Gitti,

ich verfolge diese Seiten seit Ende Mai 2013, als ich erfahren habe, dass mein Freund Speiseröhrenkrebs hat. Damals habe ich nächtelang gelesen, um Hinweise zu finden, wie ich ihm helfen kann, was ich für ihn tun kann. Jetzt lese ich sie - ich weiß nicht - zum Trost, dass es anderen auch so geht, andere mich verstehen können?
Aus diesem Grund schreibe ich Dir. Ich kann Dich, glaube ich, wirklich gut verstehen. Mein Freund ist Anfang September im KH verstorben und seit dem befinde ich mich irgendwie in einer Zwischenwelt. Was Du schildest, kenne ich auch gut. Es gibt Tage, da funktioniert man etwas besser und glaubt, es geht bergauf und dann kommen Tage, da geht gar nichts mehr. Man kann sich kaum bewegen, alles ist unendlich schwer. Herzschmerzen. Was Du über das Föhnen Deiner Haare schreibst, hat mich an mich selbst erinnert. Ich habe lange Haare und kann mich manchmal nicht überwinden, sie zu waschen und schon gar nicht, sie zu färben oder zu föhnen. Die Hausarbeit fällt genauso schwer, am liebsten hänge ich einfach nur rum. Manche hier schreiben, dass sie kämpfen, um ihr Leben wieder zu gestalten und die Trauer zu überwinden. Schon deshalb, weil ihre Männer das so gewollt hätten. Ich finde das bewundernswert und wünsche ihnen, dass das auch bald gelingt. Bei mir ist das im Moment so, dass ich eigentlich gar nichts überwinden möchte, nichts neu anfangen und nichts genießen. Ich will einfach nur bei ihm sein und weil das nicht geht, habe ich viele seiner Sachen um mich herum in meinem Schlafzimmer und fühle, dass er durch Geruch, Flecken usw. immer noch irgendwie da ist. Ich gehe in Vollzeit arbeiten, das funktioniert auch einigermaßen. Meine Kollegen sind sehr nett und dort kann ich auch schon manchmal lachen. Aber sowie ich im Auto auf dem Heimweg bin, überfällt mich die Trauer und ich weine ohne Ende. Alles erinnert mich an ihn und es ergibt für mich derzeit keinen Sinn, ohne ihn weiterzuleben. Es ist so, als würde ich mit den Ablenkungen, die ich mir gönne, nur die Zeit überbrücken, bis wir wieder zusammen sind. Es erscheint mir, als wäre es nur eine Wartezeit, die es zu gestalten gilt und in der man noch ein paar Dinge gut und richtig erledigen kann. So, als würde man Reisevorbereitungen treffen.
Weshalb ich dir das schreibe ist, dass Du Dich nicht so allein fühlen sollst, mit Deinen Gedanken und dem Gefühl, in einer Depression zu stecken. Ich bin in der glücklichen Situation, sehr kurzfristig einen Therapieplatz bekommen zu haben und man hat mir zunächst eine komplizierte Trauerbewältigung attestiert und danach eine beginnende Depression. Die Therapeutin ist sehr nett und einfühlsam. Trotzdem hat sie natürlich nur diese eine Stunde pro Woche, über Feiertage noch weniger, Zeit für mich und danach ist das Alleinsein wie vorher. Scheue Dich aber nicht, Hilfe zu suchen, notfalls auch im Krankenhaus, denn wie alle hier schreiben, es gibt Medikamente, die Dir das Durchhalten erleichtern. Ich habe Tropfen bekommen, die mir gut helfen.
Mir hilft es auch, Bücher zu lesen. Ich habe in den letzten Wochen so viel wie lange nicht gelesen. Dadurch kann ich mich in eine andere Welt versetzen und der Trauer eine Pause gönnen. Viele meiner Bekannten raten mir, jetzt auch mal an MICH zu denken, nach all dem was ich durchgemacht habe. (Wenn Du willst, erzähle ich Dir mal mehr darüber. Es war in der Tat etwas komplizierter.) Aber ich will und kann gar nicht an mich denken, sondern an ihn, kein Detail vergessen. Kennst Du das?
Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute und dass Du Hilfe findest. Bitte melde Dich, wenn Du mehr weißt und auch sonst sehr gern.

Liebe Grüße
Kroko
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