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Alt 23.12.2012, 05:00
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Hallo Ulphin,

genau. Wie soll ein eingefrorener Moment das Herz erwärmen? Außerdem heißt "den Moment einfrieren" stehen bleiben, sich selber einfrieren. Es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr. Kein Leben mehr. Wer es also getan oder versucht hat: ganz schnell wieder auftauen und ..... leben.


In diesem Jahr gab es für viele Menschen einen besonderen Tag: den 21.12. Den Weltuntergang. Mich persönlich hat kein anderer Tag des Jahres so amüsiert wie dieser. Ein ganz anderer Tag kam mir dabei in den Sinn. Der 24.02.2008. Mein persönlicher Weltuntergang. Die weitaus meisten, die hier lesen, haben einen ähnlichen Tag auch schon erlebt. Manche sogar mehrfach. Was ist dabei untergegangen? Die Welt? Obwohl es so schien: nein! Was unterging war ein recht einfach gestricktes Weltbild. Es hat einige schmerzliche Erfahrungen lang gedauert, das zu erkennen. Viel auf und ab, durchwachte Nächte. 2 Schritte vor und 3 wieder zurück, so manche Sackgasse. Anfangs mit großen Schritten bis ich merkte, mit großen Schritten fällt man auch sehr weit zurück. Also kleine Schritte.

Geholfen dabei hat mir die Musik. Mal mit Lautstärke zum Übertrönen (meine Nachbarn können ein "Lied" davon singen ), mal mit Inhalten zum Nachdenken. Geholfen haben mir viele Menschen. Menschen, die nicht davor zurück schreckten, sich mit mir ein zu lassen. Sei es hier im Forum virtuell oder außerhalb persönlich. Manche beides. Menschen, die sich nicht scheuten, ihren Finger auch mal in eine offene Wunde zu bohren und nicht locker ließen, bis sie versorgt war. Menschen, die sich nicht täuschen ließen und lassen durch vordergründiges Lachen.

Wenn ich früher dachte, ich hätte Freunde, heute habe ich welche. Danke von Herzen und Gottes Segen.

Ein langer Weg bis heute. Vor 4 1/2 Jahren wurde mir eine Aufgabe gestellt: wo möchtest du in 5 Jahren sein? Ein Ziel also, wobei nicht das Ziel sondern der Weg das Entscheidende ist. Lang und gefährlich. Tausend Kurven, schmale Stege, wacklige Brücken, Sackgassen, steile Hänge, dicke Felsbrocken. tiefe Krater. Wie das schaffen? Wer keinen Schritt tut, der kann nicht stürzen, nicht ausrutschen und nicht fallen. Wer sich keinen Millimeter bewegt, an dem läuft allerdings auch das Leben vorbei. Schrittchen für Schrittchen, so geht es, denn sooo schnell läuft das Leben nicht. Es kann auch mal warten, bis man aufgeholt hat.

Das Leben. Manchmal nimmt es Menschen bei der Hand und sagt: "Du bist müde. Komm, gib mir deine Hand. Ein paar Schritte noch und du bist am Ziel". Hautnah erlebt im Februar 2008 und auch schon einige Male hier. Myriam, die ich immer noch liebe, und einige hier, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Niemals werde ich sie vergessen. Das Leben. Misst man es in Jahren? Die meisten Menschen tun das. Doch nicht in Jahren sollte man rechnen sondern es am Inhalt messen. Der junge Mann (23 Jahre, Krebs) , der zu seiner Mutter sagte kurz bevor er starb: "Mama, sei nicht traurig. Ich hatte ein schönes Leben. Hab viel gesehen und erlebt. Ich habe nichts verpasst." hat recht. Die Mutter, inzwischen selbst an BK erkrankt, lebt diesen letzten Satz ihres Sohnes. Das Leben. Wir können es nicht aufhalten.

Drücken diese Gedanken? Nein. Sie stehen klar und deutlich vor meinen Augen. Erlebt und erfahren in tausend Nuancen. Sie sind das Leben. Sie sind das IST. Daraus lässt sich was machen. Ich versuche es zumindest so gut ich kann. Mein Ziel von damals, auf falschen Wegen verzweifelt gesucht, vergessen, aus den Augen verloren und dann schon abgeschrieben, ich habe es an der Hand.

Diese Hand halte ich fest. Nicht verzweifelt nach Halt suchend, sondern lachend, weil ich weiß, daß auch meine Hand festgehalten wird. Denn wenn ich alleine bin, dann lacht neben dem Gesicht von Myriam ein zweites.


Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünsche ich euch,

Helmut
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