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Alt 17.11.2012, 10:26
Alpenveilchen Alpenveilchen ist offline
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Standard AW: Geht's Euch auch so?!

Liebe Sanna,

ich habe mir gerade Deine Beiträge durchgelesen und verstehe, wie bemüht Du um Deinen Mann bist und wie frustrierend sein Verhalten sowohl gegenüber der Krankheit als auch Dir gegenüber für Dich ist. Ich verstehe auch, wie gerne Du diesen Kampf gemeinsam mit ihm kämpfen möchtest, Du Dir wünschst, dass Ihr die Hürden zusammen nehmt und dass Ihr Euch in dieser Zeit, die für Euch beide schwer ist, gegenseitig unterstützt.

Wenn man Krebs bekommt, ist das immer ein Verlust der Kontrolle über sich und sein Leben. Man hat etwas in sich, was stärker ist als man selbst und gegen den eigenen Willen den Körper verändert und gar schliesslich zum eigenen Tod führt. So grausam ist es. Es gibt Menschen, die kommen mit diesem Verlust der Kontrolle besser zurecht, da sie vielleicht auch sonst im Leben nicht so viel Kontrolle über die Dinge hatten und damit gut leben konnten, und es gibt Menschen, denen es immer schon sehr wichtig war, die Kontrolle über sich selbst und die Dinge um sie herum zu bewahren. Letztere Gruppe hat z.B. leichter Angst vorm Fliegen als die erst genannte Gruppe. Dein Mann scheint Deiner Beschreibung nach eindeutig jemand zu sein, dem die Kontrolle über sich und sein Leben immer sehr wichtig war. Du schreibst z.B. "er war ja immer der starke, der Macher eben", "Hilfe und Unterstützung annehmen, das fällt ihm schwer" und "(er) macht eben alles mit sich selbst aus". Das macht die Akzeptanz der Krankheit doppelt schwer für ihn. Dennoch ist er im Klaren darüber wie es um ihn bestellt ist, wenn er sagt "es geht dahin mit mir".

Es ist wichtig, dass Du Dir immer mal wieder in Erinnerung rufst, dass es seine Krankheit ist und nicht Deine. Es ist die letzte Kontrolle, die ihm noch bleibt, zu entscheiden, wie er mit seiner Krankheit umgeht, ob und wann er isst, ob und welche Ärzte er wann trifft usw. Diese Freiheit musst Du ihm einfach lassen. Dein Mann mag ja sehr "stur" sein, wie Du schreibst, aber es ist auch sein Recht, stur zu sein. Es ist seine Krankheit, auch wenn es schmerzlich für Dich ist, Dich nicht so engagieren zu dürfen, wie es Dein Herz möchte. Manchmal ist Liebe nicht, alles für ihn zu tun, von dem Du denkst, dass er es braucht, sondern ihn seinen eigenen, selbst gewählten, kurvigen Weg gehen zu lassen.

Eine andere Sache ist seine Laune und sein Verhalten Dir gegenüber. Die Machtlosigkeit gegenüber der Krankheit, die stur ihren eigenen Weg geht und sich nicht im geringsten um seine Wünsche und seinen Willen kümmert, ist für ihn unglaublich frustrierend. Er ist daher innerlich geladen. Wenn Du nun ebenfalls Dinge gegen seinen Willen vorschlägst, bist Du ein willkommener Blitzableiter und bei Dir findet er wenigstens eine Reaktion. Du reagierst so, wie er es sich von seiner Krankheit wünschen würde. Du bist geknickt und gehst ihm aus dem Weg. Stell Dir vor, die Krankheit würde dasselbe tun!Das wäre doch sein höchster Wunsch. Das tut die Krankheit aber leider nicht und daher bekommst Du den Kübel ab. Da sieht er, dass er doch zumindest noch etwas Kontrolle in seinem Leben hat, noch etwas bewirken kann, dass sein Unmut/Angst/Verzweiflung nicht völlig ins Leere geht, sondern zumindest Dich knickt.

Natürlich ist so ein Verhalten völlig destruktiv und nützt ihm in der Verlängerung nichts, weil die Krankheit bleibt und er dabei nur auch noch Deine Nähe verliert. Auch wenn, ihm diese Streitigkeiten zu Hause genau in diesem Moment, wo sie stattfinden, eine gewisse Erleichterung (Entladung) und Genugtuung geben, macht er sich damit nicht glücklicher, sondern auch seine Situation wird nur trostloser. Das einzige, was Du tun kannst, ist das Spielchen nicht mitzuspielen. Versuche a) ihm so viel Kontrolle über sich wie möglich zu geben und respektiere sein Verhalten sich selbst und seiner Krankheit gegenüber und b) versuche Dich nicht umhauen zu lassen, von seinem Verhalten, sonder versuche, sachlich zu bleiben und wiederum seine Wünsche zu respektieren.

Wenn er z.B. sauer ist, weil Du ihn zu einem Arztbesuch überreden willst, runde das Gespräch ab mit "OK, dann gehen wir eben nicht zum Onkologen." oder wenn er nicht essen möchte, "OK, dann stelle ich XX in den Kühlschrank. Dann kannst Du ja nachher noch was nehmen." Wenn Du nicht mehr gegen seine Sturheit kämpfst und nicht mehr Deinen guten Willen für ihn verteidigst, sondern seine Wünsche einfach respektierst, und Dich nicht mehr knicken lässt, wird es schnell uninteressant für ihn, Dich anzumotzen, und Du bekommst wieder eine bessere Beziehung zu ihm. Versuche ausdrücklich, nicht sein Blitzableiter zu sein. Das ist ganz wichtig.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft für Deine Aufgabe und hoffe, dass Dir Deine Freundin, zu der Du Dich flüchten kannst, die emotionale Unterstützung geben kann, die Du zu Hause nicht findest. Natürlich sind auch das Forum und Miriam eine prima Unterstützung. Du bist nicht alleine, auch wenn Du den Kampf zu Hause alleine ausfechten musst.

Sei nun ganz lieb gegrüsst
vom Alpenveilchen
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