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Alt 05.09.2012, 16:01
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Hallo zusammen,

mein Vater hat bereits am Montagabend nachdem wir weg waren seinen ersten Chemotropf erhalten. Gestern auch und heute den letzten. Körperlich hat er es ganz gut weggesteckt, wenn man von der Müdigkeit absieht.

Gestern habe ich ihm auf seinen Wunsch hin dann den Schnurrbart abrasiert. Da bleibt immer das Essen drin hängen, sagte er. Schon komisch. Er sieht aus wie Kermit der Frosch jetzt. Darüber mussten wir immerhin beide lachen.

Mein Vater war gestern sehr aggressiv und unzufrieden mit allem, vor allem mit der Krankenschwester, die er nicht abkönne, wie er sagte. Ich habe mich sehr gewundert, zu welcher Energieleistung mein Vater noch im Stande ist, als er während des Motzens mit Vehemenz seine Hände auf die Bettgitter knallte. Ich habe dann versucht ihn zu beruhigen, was mir leidlich gelang.
Die Ärztin sagte mir dann, dass gesteigerte Aggressivität auch eine Folge der Chemo ist und wir versuchen sollen, dass an uns abperlen zu lassen.
Ne reine Weltidee, hab ich bei mir gedacht. Aber was bleibt.

Der weitere Fahrplan sieht nun so aus:
Wenn sich der Zustand meines Vaters nicht noch weiter verschlechtert und er die Chemo weiterhin "gut" verträgt, soll er am Wochenende oder Montag erstmal nach hause entlassen werden, um sich ein wenig zu erholen.
Am 16. soll er wieder ins Krankenhaus, am 17. wir die Blase ausgeschabt und die Histologie des Blasentumors entscheidet dann, ob es sich um eine Meta aus der Lunge handelt oder um einen eigenständigen Blasentumor.
Nach der OP gibt es wieder eine Pause und danach wieder Chemo.
Aber das ist mir alles viel zu weit in die Zukunft geplant. Erst einmal bereite ich uns darauf vor, dass mein Vater nach hause kommt.

Heute habe ich mit dem Entlassungsmanagement des Krankenhaus telefoniert und festgestellt, dass die auf Zack sind. Ich musste zumindest nur an wenige Dinge selbst erinnern und da haben sie sich umgehend drum gekümmert und zurück gerufen.
Wir bekommen also ein Pflegebett mit Weichlagerungsmatraze, einen Toilettenrollstuhl, Bettpfanne, ein Alarmsystem und son Schnickschnack.
Dazu wird per Eilantrag eine Pflegestufe beantragt, ein Pflegedienst beauftragt und eine SAPV Verordnung ausgestellt.
Heute abend bereite ich mit meinem Cousin das Zimmer für das Pflegebett vor und kaufe einen Fernseher.
Ich glaube, wir sind gut vorbereitet.
Als ich meinen Vater gestern fragte, wo er das Pflegebett hin haben möchte, sagte er bevor ich ihm die Möglichkeiten aufzählte: "In Opas Zimmer."

Ich musste schlucken.

Mein Opa - der Vater meines Vaters - hat die letzten 10 Jahre seines Lebens bei uns im Haus gelebt und das letzte Jahr hat ihn meine Mutter gepflegt.
Sein Zimmer ist seitdem Bügelzimmer meiner Mutter.
Und er möchte das jetzt Opas Zimmer nunmehr das seine wird.
Harter Tobak - aber nun gut. Er ist der Boss.

Ansonsten werde ich heute abend einen Arzt, der bei uns in der Nachbarschaft wohnt, bitten sich als Hausarzt meines Vaters anzunehmen. Ich hoffe, er wird das machen. Bin aber recht zuversichtlich.

Ansonsten fühle ich mich wie ausgekotzt, funktioniere aber immer noch wie ein Uhrwerk.
Am liebsten würde ich mich in eine Höhle verkriechen und in einen vorgezogenen Winterschlaf bis Mai fallen.
Dabei herrscht diese Ausnahmesituation gerade mal drei Wochen und das Anstrengendste liegt noch vor uns, wie ich vermute.

Ein Schritt nach dem anderen ist wohl die Devise.
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