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Alt 27.06.2012, 22:10
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Mirilena Mirilena ist offline
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Registriert seit: 11.05.2011
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Standard AW: Ich verstehe es immer noch nicht...

Liebe Amara,

vielleicht kennen wir uns sogar aus dem Angehörigen-Forum vom letzten Jahr? Ich finde deine Gedankenwelt überhaupt nicht verworren oder seltsam. Ich kann deine Gedanken ziemlich gut nachvollziehen. Zum einen, weil die Ärzte deinem Papa und euch ja recht gute Chance eingeräumt hatten, wenn er die OP überstehen würde. Da war deine Hoffnung doch durchaus begründet, auch rational. Dass es dann leider doch anders gekommen ist, konntet ihr nicht ahnen. Ich denke, man will auch nicht wahrhaben, dass ein geliebter Mensch sterben muss. Das ist allzu grausam und unerträglich. Und wie viele hier von uns schreiben: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Insgeheim hoffen wir alle hier auf ein Wunder! Und das ist auch gut so, denn niemand hätte sonst wohl die Kraft weiter zu machen... Glaube ich!
Dass es für dich so unwirklich ist, der Verlust deines bis dahin gesunden Paps, das finde ich auch verständlich. Für mich war es auch unverständlich, dass ausgerechnet mein Vater, der immer so fit war, auf einmal so ein Häufchen Elend wurde. Ich wollte es lange auch nicht wahrhaben, dass er keine Chance hatte. Er selbst hat bis zu dem Tag, an dem man ihm im Krankenhaus offenbarte, dass sein Oberschenkelhalsbruch einer weiteren Knochenmetastase zu "verdanken" sei, geglaubt, er werde die Woche darauf eine REHA antreten und einfach weitermachen. Ab dem Zeitpunkt wusste ich intuitiv, dass es vorbei war. Er wurde nochmals auf den Kopf gestellt wegen seiner Schmerzen im Rücken und weitere Knochenmetastasen im Lendenwirbelbereich entdeckt. Und dann ging alles so schnell. Unfassbar! Ungefähr 3 Wochen Palliativstation, um die Schmerztherapie richtig einzustellen und dann kam er zu uns nach Haus. Da blieben uns 14 Tage und es waren die traurigsten und zugleich intensivsten Tage meines bisherigen Lebens.
Und dennoch geht es auch mir heute noch oft so, dass ich etwas erzähle von meinen Eltern, von Papa und dann in dem Moment schlagartig verstumme, weil mir bewusst wird, dass mein Papa nicht mehr hier bei uns ist. Aber weißt du, ich denke, er ist zwar nicht mehr zu sehen, er kann uns auch nicht wie gewohnt antworten und wir können ihn nicht in den Arm nehmen, dennoch spüre ich oft seine Anwesenheit. Zum Beispiel, wenn ich Unkraut in seinem Garten jäte, wenn ich Wege gehe, die wir gemeinsam entlang spaziert sind, wenn ich mit ihm spreche und in mich hineinhorche. Dann spüre ich, dass er irgendwie doch bei uns ist. Und das ist tröstlich. Es ist nie wieder so, wie es einmal war, aber man lernt, damit zu leben irgendwann...Und man findet seinen ureigenen Weg, mit diesem Verlust, den damit verbundenen Schmerzen und seiner Trauer zurecht zu kommen. Und man lernt, dass sich die Beziehung ebenso verändern muss. Ich bin dabei, sie zu ändern und das funktioniert erstaunlich gut.

Alles Liebe für dich
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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