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Alt 26.02.2012, 18:16
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Mein Papa hat Lungenkrebs im fortgeschrittenem Stadium

Danke Vivien, Jule, Carla und Daniela!

Komisch, ich kann weinen. Meine Mama und Helena nicht. Heute in der Kirche musste ich ständig weinen, ganz still rannen die Tränen. Und unter der Kanzel sah ich die geschnitzteTaube. Und durch das Kirchenfenster schien die Sonne genau auf mein Gesicht und blendete mich. Ich glaube, das war mein Papa, der mir die Sonne geschickt hat...

Ich lese gerade von E. Kübler Ross das Buch "Dem Leben neu vertrauen". Da werden die verschiedenen Stadien der Trauer beschrieben. Ich erkenne mich in den meisten wieder und stelle fest, dass ich diese Stadien seit April 2011 durchlaufe. Vor allem die Wut und den Zorn auf die Krankheit. Die Schuld habe ich auch bei den Ärzten gesucht,doch ich weiß, dass niemand etwas hätte ändern können. Niemand hat Schuld! Aber es hilft manchmal, jemandem die Schuld zu geben, wenn auch nur für einen kurzen Moment. dann sind da noch tiefe Traurigkeit, die sowohl seelisch als auch körperlich schmerzt. Sie bohrt sich so tief in mich hinein und ich soll sie begrüßen, um wieder heil zu werden. Mir erschient es so seltsam und surreal, dass das Leben jetzt weiter geht ohne meinen Vater. Die Vögel singen, die Sonne geht auf, der Wind weht durch die Zweige, die Menschen stehen auf, gehen zur Schule, zur Arbeit und verrichten ihren Alltag. So, als wäre gar nichts geschehen und auch ich muss Dienstag wieder in die Firma. Auch ich muss weiterleben, irgendwie.

Carla, ich weiß genau, was du meinst! In meinem Kopf erscheinen so viele Bilder... Vom Anfang und vom Ende. Mein Papa, der an meinem Bett saß und mir Geschichten vorlas, der meine Handinnenfläche mit seinem Finger streichelte (ich spüre sogar die Berührung), der mit mir Fahrrad fuhr, mir über die Haare streichelte, mich anlächelte, mit mir schimpfte, mich kritisierte, sich bei mir bedankte, mich in die Arme nahm, dem ich so viele Küsse gab, der mit mir am Nordseestrand spazieren ging, der mit mir in den Hügeln der Toskana wanderte, mit dem ich Wein auf der Terrasse trank, der dann so krank wurde und so klein, dessen Kraft mit jedem Tag schwand und von dem ich dennoch soviel lernen konnte. Der mir mit kaum hörbarer Stimme sagte, dass er mich liebt... Nie wieder wird mich jemand so lieben, wie er es getan hat. Aber dennoch, seine Liebe für uns bleibt und genauso bleibt unsere Liebe für ihn. Und auch wenn er all seine Geheimnisse und sein Wissen mitgenommen hat, so bleibt doch einiges davon ins uns erhalten. Ich nehme deine Hände und Arme gern an und lasse mich gern darein fallen. Papa fiel es anfangs nicht leicht, Hilfe und Liebe anzunehmen, doch als es so weit war, hat er sein Herz noch einmal ganz weit geöffnet und konnte das und auch das nehme ich mit. Für mich ist nichts mehr selbstverständlich in dieser Welt. Jedes liebe Wort und jede Geste sind kostbar, jedes gute Gefühl, das man einem anderen Menschen entgegen bringt.

Schön, dass auch du so ein "Katzenmensch" bist!;-)

Liebe Grüße an euch alle
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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