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Alt 10.02.2012, 05:34
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Dyara Dyara ist offline
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Standard AW: spielt euere Prognose bei der weiteren Lebensplanung wirklich keine Rolle?

*winkt in die Runde*

Viele liebe Gruesse,

wenn ich mich heute in die Vergangenheit versetze muss ich sagen, ja ich habe mich verändert. Und zwar schon vor vielen Jahren, als ich den Befund bekam, Kindskopf großer Tumor im Unterleib, Verdacht auf Krebs. Für mich war es eine schlimme Zeit, 6 Wochen auf den OP Termin zu warten.

Meine beiden Kinder holten mich dann aus diesem Schockzustand heraus. Seit dieser Zeit sehe ich vieles lockerer. Oder besser gesagt, gehe vieles lockerer an. Bei bestimmten Situationen, schüttele ich nur innerlich mit dem Kopf. Bei einigen Auseinandersetzungen denke ich mir nur einfach, der reinste Kindergarten. Es gibt Themen, wo man sich lieber am Hintern fasst und sich dann abwendet. Es ist das einfach nicht wert, sich unnütz aufzuregen.

Streit ist für mich, pures Gift. Und wer damit nicht zu recht kommt, soll zur Hölle fahren. Ein kleiner Schutz, den ich mir selber aufgebaut habe.

Die Zeit vergeht, man baut sich Freundschaften auf. In den darauffolgenden Jahren, hatte ich immer ein offenes Ohr, wenn jemand Probleme hatte. Ich war da und immer ansprechbar.

Auf die Nacht von Rosenmontag auf Dienstag verstarb meine Kollegin während des Dienstes. Ich konnte sie noch am Leben halten, bis der Rettungsdienst kam. Sie konnten meine Kollegin noch 2mal zurück holen, aber… es war doch zu spät. Sie ist am eigenen Erbrochenen erstickt. Nach diesem Vorfall habe ich mir einen Hund zugelegt. Mit dem ich stundenlang durch Wiesen und Wälder gelaufen bin. Und war noch 6 Monate in therapeutischer Behandlung.

Jahre später. Verstarb meine andere Kollegin an Leberkrebs. Wir beiden hatten immer unseren Geburtstag miteinander gefeiert, weil wir am gleichen Tage 17.09. geboren waren. Sie war für mich da und ich für sie. Eine schöne Freundschaft entwickelte sich mit den Jahren. Eine Woche vor ihrem Tod bat sie mich, dass ich bei ihr übernachten sollte. Und so blieb ich eine Woche bei ihr. Ich blieb bei ihr, bis sie am Freitagabend verstarb. Seitdem kann ich keine Sissyfilme mehr sehen, die Hanne so liebte.

Jahre später.
Sterbebegleitung bei meiner Mutter.

Zwei Jahre später.
Prostatakrebs bei meinem Vater. Er verstarb nach 3 Monaten.

In meinen Augen kann man soviel Leid nicht aufwiegen. Oder miteinander vergleichen.

Ich mache mir eher Gedanken darüber, wie man in Würde sterben kann. Deswegen ziehe ich eine Patientenverfügung in Betracht. Keiner soll mir sagen, wie ich zu sterben habe.

Weiterhin habe ich überlegt, wie ich meine Familie geldlich erstmal absichern kann. Wie ich den Schmerz in Grenzen halten kann. Der sicherlich meinen Kindern seelisch nachgehen wird. Und suche das Gespräch mit ihnen.

Ich bemerke, wie man Sohn sich hart tut, aber er sucht meine Nähe. Was mich freut. Meine Tochter hingegen, baut mich auf oder schüttelt mich auch mal kräftig durch, bildlich gesprochen, wenn ich wieder mal mit Todesängsten daher komme. Und völlig auf dem Hund bin. Und wenn ich einmal alle Gesichter in meiner Familie ansehe, an denen geht meine Krankheit nicht spurlos vorbei. Nur jeder von ihnen, geht anders damit um.


Der Beitrag ist etwas lang geworden. Doch noch eins am Schluss.

Das Wohl meiner Familie stand für mich immer an erster Stelle. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Aber das heißt auch, ich bin ein Teil davon und habe die gleichen Rechte und Pflichten wie sie. Ich gehöre dazu. Ich gebe meiner Familie das zurück, was sie mir geben.
Liebe. Zuneigung. Hoffnung. Lachen. Mehr brauche ich nicht.

Dyara
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Die Zukunft hat viele Namen. Für die Schwachen ist sie die Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie die Unbekannte. Für die Tapferen ist sie die Chance. (Victor Hugo)

Es geht im Leben nicht darum, zu warten, dass das Unwetter vorbeizieht. Es geht darum, zu lernen, im Regen zu tanzen. (Zig Ziglar)

Geändert von Dyara (10.02.2012 um 05:50 Uhr)
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