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Alt 16.10.2012, 09:13
Odelbie Odelbie ist offline
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Standard AW: Wie verhalten?

Hallo liebe Gabi,


Ich habe deine Zeilen sehr aufmerksam gelesen. Deine Gedanken waren auch meine Gedanken, als bei meinem Mann Krebs und Metastasen feststanden.

Unsere Gedanken sind:" das kann doch nicht sein, diese Krankheit ! Oder ..... Ich muß was tun ? Die müssen meinen Mann retten ! Ich bringe ihn mehr zum Arzt, dann wird ihm geholfen ! Ich kann nicht nur sitzen und warten ! Und so könnte ich noch viele,viele Gadanken und erlebte Worte schreiben.

Doch wir vergessen, was der Kranke eigentlich möchte. Mein Mann lernte seinen Körper neu kennen. Er musste selber damit fertig werden, es verarbeiten. Und erst als mein Mann sich damit abgefunden hat, begann er zu kämpfen. Das dauerte ein paar Tage nach der sicheren Diagnose, die uns die Ärzte sagten.
Er hörte eigentlich nicht wirklich zu, wenn die Ärzte etwas sagten. Ich dachte jedenfalls , das er da nicht hörte. Viel später, sagte er, die ersten Worte reichten mir. Da habe ich bereits verloren, bevor der Kampf beginnt.

Sie spüren das. Sie spüren diese Sinnlosigkeit der Behandlungen, den Stress, den Abbau des Körpers, Gewichtsverlust, u.s.w. . Viele Diagnosen , werden schön geredet. Den Menschen wird Mut gemacht. Alles wird gut, wir bringen das hin. Und was man alles hört.
Ich war verzweifelt, als mir mein Mann sagte:" ich kann nicht mehr." Ich dachte ich sterbe . Ich wollte es nicht hören. Ich wollte doch, das mein Mann und Papa lebt, die Krankheit besiegt. Doch wir hatten schon am Start verloren.
Und ich erlaube mir zu sagen, mein Jürgen spürte das. Er fühlte seinen Körper. Er musste sofort nach der Diagnose alles regeln. Patientenverfügung, Testament, Geldangelegenheiten. Viele Dinge regelte er, das bemerkte ich nicht einmal.
Ich wollte auch immer, das er dem Arzt sagt wie es ihm geht. Er lächelte diesen nur an und wollte seine Ruhe. Er schlief sehr viel. Aber im inneren seines Körpers, nahm er schon langsam Abschied. Das war ihm wichtig, auch alleine zu sein. Als mein Jürgen sich selber damit auseinander gesetzt hatte, holte er mich an sein Bett und wir weinten zusammen.
Ich weiß nicht wie es ist, ständig mit dem eigenen Sterben sich zu beschäftigen. Ich weiß aber, das dieser Kampf sehr viel Kraft kostet. Deshalb habe ich immer das gemacht, was er wollte. Unsere Ernährung ging über die Magensonde. Wenn er mir sagte, er mag nicht, Dan mag er nicht und ich sagte dann gut mein Schatz, dann machen wir das später. Es gab Tage, da gab es kein später. Ich musste damit fertig werden. Und auf der anderen Seite, konnte ich meinen Mann verstehen.

Lasse deinem Mann die Zeit die er braucht. Bei dieser Krankheit, lernst du deinen Mann wieder neu kennen. Es wird schwierig, weil in einem die Angst steckt. Weil man nicht weiß wohin der Weg führt. Und genau deshalb wollen wir jede Minute helfen.
Wenn in mir die Angst größerwurde, dann sprach ich heimlich mit dem Arzt. Da wir nach jeder Bestrahlung zum Arzt mußten stellte dieser dann immer gezielte Fragen an meinen Mann. So wurde mir die Angst etwas genommen. Meine Verantwortung war etwas gesunken. Dann lenkte er ein und dachte wenigsten kurze Zeit nach. Irgendwann begann er dann immer wieder mit mir zu plaudern, auch über seine Ängste, über sein Gedanken und Gefühle. Und wir stellten fest, das diese Zeit die schönste Zeit war. Wir sprächen auch darüber, was ist wenn unsere Zeit schneller abläuft als gedacht ? Das war uns wichtig, wir wir handeln sollten, wenn es unerträglich wird ? Wir haben uns ausgesprochen und nach diesem Zeitpunkt, bekam ich genau mit, was mit meinem Mann passierte.

Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann sage ich Heute:" alles war gut so wie es war." Ich würde Ihn nicht drängen. Wenn es eine aggressive Form von Krebs ist, so wie bei uns, dann spielt es keine Menschliche Rolle mehr ob man noch eine Woche oder 5 Tage wartet um den Arzt aufzusuchen.
Bei uns hieß es erst so und auf der Patientenakte stand Palliativ.
Hätte ich das am ersten Tag gelesen, dann hätte ich meinen Mann versucht zu überreden, nur eine Schmerztherapie zu machen. So hätte er wenigsten bis zu seinem Sterben noch selber essen und trinken können. So bekam er aber Chemo und Bestrahlung mit 70 Gy. Er verlor seinen Speichel, konnte nicht schlucken, nicht esse. Nix. Das war für mich und meine Tochter sehr schlimm. Und für meinen Mann kein Leben mehr.

Ich kann deinen Mann verstehen. Vollkommen verstehen. Gib Ihm die Zeit die er braucht. Dränge ihn zu nix, dann verschließt er sich vollkommen.

Ich Drücke euch Beiden ganz feste die Daumen und schicke dir ein großes Kraftpaket.

GglG
von
Grit mit Lisa fest an der Hand und unseren Kämpfer fest im Herzen
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